"Es ist vollkommen egal, von welchem Hersteller ein Hörgerät ist."

Mag diese Aussage zunächst überraschen, so kommt sie doch von jemandem mit langer Erfahrung im Hörakustik-Markt. Denn es ergab sich die Gelegenheit, mit einer Hörakustik-Meisterin, die seit vielen Jahren schon am „Ohr der Kunden“ arbeitet, über den Markt, die Kunden und andere interessante Aspekte aus der Sicht einer praktizierenden Hörakustik-Expertin zu sprechen.

A.L:

Der Hörgerätemarkt gilt ja als etwas Besonderes. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?

K.S.*:

Es hat sich in den letzten Jahren eine Menge getan. Hörgeräte sind noch kleiner und unauffälliger geworden und es scheint manchen Menschen leichter zu fallen, einen Fachbetrieb aufzusuchen. Dazu nimmt die Zahl der Betriebe stetig zu, was natürlich dafür sorgt, dass mehr Hörgeräte verkauft werden.

A.L:

Ist denn immer noch etwas die Angst vor dem Produkt „Hörgerät“ zu spüren?

K.S.:

Das ist nicht mehr ganz so stark, aber wir kennen das: Wenn es um ein Hörgerät geht, dann sollte es möglichst unsichtbar sein. Allerdings wird dieser Wunsch sehr schnell relativiert, wenn die Kunden gezeigt bekommen, wie klein nicht nur IdO-, sondern auch HdO-Hörgeräte heutzutage sind. Dann sind viele erstaunt und auch beruhigt.

A.L:

Und grundsätzlich geht es fast immer darum, dass man mit einem Hörgerät besser verstehen kann?

 

K.S.:

Genauso ist es. Wir Menschen sind kommunikativ, so dass es wichtig ist, in möglichst vielen Situationen Sprache besser verstehen zu können. Und ich kann so viel sagen: Wenn einer meiner Kunden das Geschäft mit einem neuen Hörgerät verlässt, habe ich alles getan, damit Sprache wieder besser verstanden wird. Natürlich kann ein Hörgerät das junge, gesunde Gehör nicht komplett ersetzen, doch es hilft vielen meiner Kunden ungemein, am kommunikativen Leben wieder teilzunehmen.

A.L:

Benötigt man dafür Hörgeräte von einem bestimmten Hersteller, die sich z.B. in Sachen Qualität oder Technologie von anderen unterscheiden?

K.S.:

Meiner Meinung nach überhaupt nicht. Egal, von welchem Hersteller ein Hörgerät ist: Es ist mit modernster Hörtechnologie ausgestattet und es kann über Software mit umfangreichen Möglichkeiten auf den Menschen eingestellt werden. Die Marke ist dabei vollkommen egal, zumal unsere Kunden keinen der Herstellermarken wirklich kennen. Es zählt einzig das Ergebnis am Ohr, wenn die Menschen wieder verstehen müssen. Und das erreiche ich wirklich mit jedem Hörgerät.

A.L:

Bei einer Versorgung ist das Verhältnis vom Kunden zum Hörakustiker doch auch von erheblicher Bedeutung?

K.S.:

Unbedingt. Zwischen dem Kunden und mir entwickelt sich über die Zeit der Beratung, der ersten Anpassung und der Feinjustierung durchaus ein Vertrauensverhältnis. Menschen spüren das und letzten Endes sorgt dies auch dafür, dass sich Erfolge herumsprechen und Empfehlungen ausgesprochen werden.

A.L:

Der Hörakustikmarkt ist geprägt durch große, bundesweit agierende Ketten, durch kleine, inhabergeführte Fachgeschäfte und durch den verkürzten Versorgungsweg beim HNO. Wie beurteilen Sie diese Struktur?

 

K.S.:

Ob im kleinen Fachgeschäft oder bei einer Kette: Dort werden exzellent ausgebildete Hörakustiker den Menschen immer eine passgenaue Hörlösung anbieten können. Allerdings machen die Ketten es den kleinen Betrieben zunehmend schwerer, denn sie haben die kraftvollen Möglichkeiten der ausgiebigen, bundesweiten Werbung. Da ist es für kleinere Betriebe nicht einfach. Was die verkürzte Versorgung bei einem HNO betrifft, so kann ich nur fragen, ob man seine Brille auch beim Augenarzt kaufen würde? Warum sollte ich mich in ein Wartezimmer mit kranken Menschen setzen, um dann ein Hörgerät angepasst zu bekommen? Ich muss doch wissen, dass ein Arzt immer unter Zeitdruck steht, während wir Fachbetriebe uns alle Zeit der Welt nehmen können, damit ein Kunde zufrieden ist. Auf wessen Kosten wird diese knappe Zeit beim Arzt denn wohl gehen?

A.L:

Es gibt bekanntlich viele Technologiestufen und Hörgeräte in Preisklassen, die von 0 Euro bis quasi unbegrenzt in Sachen Zuzahlung erhältlich sind. Nach welchen Kriterien erfolgt hier die Beratung?

K.S.:

Natürlich kommt es auf den Hörverlust, aber auch auf die individuelle Beurteilung des Kunden, beispielsweise der Größe des Gehörgangs an. Ich spreche danach aber nicht von Technologie, sondern von vollkommen verständlichen Nutzen für unsere Kunden. Und zwar wirklich so, dass sie die Zusammenhänge zwischen Nutzen und eventuellen Mehrkosten verstehen. Und am Ende finden wir dann auch stets das passende Produkt. Wenn ein Kunde z.B. nur ein Kassengerät haben möchte, weil es nicht anders geht, dann wird er auch eines erhalten. Am Ende gilt dann auch für ihn mein Motto: Jeder Kunde, der meinen Laden verlässt, kann besser verstehen.

A.L:

Es gab schon einmal ein Unternehmen, das hat nur in einem ganz bestimmten Zeitrahmen Service angeboten…

K.S.:

Bevor Sie weiter sprechen: Bei uns gibt es den Service rund um das Hörgerät zu jeder Zeit, wann immer es ein Kunde benötigt. Da wird nicht dran gerüttelt, dafür sind wir zu unseren Öffnungszeiten selbstverständlich da.

A.L:

Abschließend interessiert es mich, ob Sie den Menschen, die gerade ein neues Hörgerät erworben haben, Empfehlungen bzw. ein Hörtraining mit auf den Weg geben.

K.S.:

Ich würde es so beschreiben, dass ich stets eine Trage-Empfehlung zwecks Gewöhnung mit an die Hand gebe, denn ein individuell angepasstes Hörgerät trainiert quasi das Gehör ab dem Moment, ab dem man es trägt. So wäre es natürlich schön, wenn ein Kunde das neue Gerät 12 Stunden am Tag tragen würde. Da es aber auch Kunden gibt, die ein neues Gerät immer nur dann nutzen möchten, wenn sie sich mit Menschen unterhalten, gebe ich immer die Empfehlung, ein neues Hörgerät so lange wie es eben möglich ist, zu tragen. Schließlich muss man sich an das neue, verbesserte Hören und Verstehen wieder gewöhnen.

A.L:

Ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

*Der Name ist dem Verfasser bekannt und wird aufgrund der Bitte um Vertraulichkeit abgekürzt